Gedanken

von Angesicht zu Angesicht

Tränen
angesichts
von Leid
	sei still
	es ist nicht
	dein Schmerz

Angst
angesichts
von Hass
	bleib ruhig
	es hat nichts
	mit dir zu tun

Sorge
angesichts
von Verzweiflung
	halt dich raus
	es ist nicht
	deine Entscheidung

und dann bemerkst du den Spiegel
Schein

glänzend
glatt
undurchdringlich
ragt der Schein
gesichtslos auf

strahlend
kalt
unersättlich
stellt er seine
Grenzen auf

beugend
hart
unerbittlich
bricht sein Streben
Blicke
Bilder
Hände
Worte
Träume
Lachen
Lieder
Leben
Schein II

gesichtsloser Schein
zu sein was nicht ist
glänzend
Abscheu
erregend

verlockende Maske
verzerrt das Gesicht
lächelnd
Schlangen
dir gebend

Widerstand zwecklos
jeder läuft mit
geblendet
den Glanz
selbst erhebend
Nachrichten

Vögel aus zerfetzten Zeitungsseiten
flattern in den kahlen Ästen
 
die neuesten Nachrichten
purzeln buchstabenweise
zu den vermodernden Blättern
auf den ersten Schnee
 
blind
horchen, schnüffeln, tasten wir
unter den Bäumen
nach Wichtigem
 
fallen übereinander her
statt einander
zu finden
Annahme

angenommen
du nimmst an
was anzunehmen ist

den Moment
wie er ist

das Gefühl

und den Gedanken
der vorüberfliegt

den Weg
wie er ist

dich

und den Menschen
neben dir

kannst du dann
annehmen
dass die Welt
nicht bleibt
wie sie ist?
der Visionär

im Grau
trotz Nebel
Farben sehend

im Nebel
trotz Höhe
Leitern bauend

oben
die Wolkendecke
durchbrechend

trotz Höhe
trotz Nebel
das Grau verändernd
Farben regnend

Bild dazu: siehe "neue Texte" > 18.09.2022
der Bösewicht

verschämt verklingt
der letzte Ton
der Kobold tanzt
lacht laut:
„so sieh!
hab ausgelöscht!
mich kriegst du nie!“
gegenwärtig

zweierlei Gespenst gefühlt -
gewünscht
und
gewesen

zweierlei Gefühl gefordert - 
glauben
und
genesen
Abendgebet

Nebel zieht auf
schleicht durch den Morgen
ich liege wach
warm und geborgen
 
dann beginnt der Tag
hektisch und schnell
der Nebel bleibt grau
lautes Hundegebell
 
brüllt durch die Luft
ich erstarre vor Schreck
ein paar Leute lachen
und die U-Bahn ist weg
 
in der Arbeit geht es weiter
mein PC will nicht starten
ich verschütte meinen Tee
lasse die Chefin warten
 
weil der Drucker mein Konzept
nicht ausdrucken will
und auch das Telefon
bleibt einfach nicht still
 
zu Mittag fällt mir glatt
der Teller aus der Hand
und die Sauce spritzt natürlich
auf das weiße Gewand
 
meiner Kollegin
die daraufhin in Tränen ausbricht
meine zerknirschte Entschuldigung
hilft leider auch nicht
 
zu Hause will das Kind
die Aufgabe nicht machen
der Kater frißt die Blumen
ich kann nicht drüber lachen
 
das Essen brennt an
das Klo ist verstopft
die Kleine hat inzwischen
ihre Pflanzen umgetopft
 
und als ich die Erde
halb aufgesaugt hab
begibt sich der Staubsauger
in ein sehr frühes Grab
 
zum Essen gibt es dann
Brot mit Butter und Ei
dann ist dieser Tag
endlich, endlich vorbei
 


"Oh Gott" seufze ich
"der Tag ist zu Ende
ich gebe das Chaos
nun ich Deine Hände.
 
Du kannst da sicher
einen Sinn reinbringen
aber verschon' mich ab jetzt
bitte mit solchen Dingen!"

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