Raum nach einem Bild von Peter C. die Welt ein Raum zu schnell hindurch gelangst du in den nächsten Raum ohne das Haus zu erkennen
Der Raum nach einem Bild von Peter C. Das Holz unter meiner Hand. Von der Sonne jahrelang gewärmt und getrocknet. An manchen Stellen glänzt es von den Berührungen der vielen Hände. Die tief eingegrabene natürliche Maserung lädt dazu ein, sie mit den Fingern nachzuzeichnen und zu erforschen. Dann ein leichter Druck und die Tür schwingt mit einem leisen Atemzug auf. Im ersten Moment bin ich überrascht, dass sich hinter dieser Türe nur ein fast leerer Raum befindet und gegenüber eine weitere Türe. Viele gehen wohl nach einem kurzen Moment der Orientierung sofort auf diese zweite Tür zu. Sie wollen weiterkommen, ohne einen Blick an den Raum zu verschwenden, den ich nie Vorraum nennen würde. Es ist ein echter Raum. Große Steinplatten bedecken den Boden. Zwischen den beiden Türen sind sie glattgeschliffen von den vielen raschen Schritten der Jahrhunderte. Abseits dieses von Ungeduld geschaffenen Weges sieht man den Platten ihr Alter an. Besonders die eine rechts neben der Türe ist abgenutzt und leicht fleckig und dort stelle auch ich - wie die anderen weniger Rastlosen - meine Schuhe ab. Und dann genieße ich die immer gleichbleibende Temperatur der Steine beim Durchschreiten des Raumes. Ich kenne einen solchen Boden aus meiner Kindheit – im Sommer ist der Stein angenehm kühl und im Winter scheint er beinahe warm zu sein. Das Ausziehen der Schuhe soll auch ein Zeichen von Respekt für den Hausherrn sein, der das scheinbar schätzt und dafür sorgt, dass der Boden immer gut gefegt ist. An der Wand befindet sich ein Wasserbecken – nicht zu klein und nicht zu groß – in das aus einem steinernen Rohr wundervoll klares, kühles Quellwasser fließt. Eine echte Wohltat, in diesem hellen und stillen Raum anzukommen, zur Ruhe zu kommen, die zuverlässigen Steinplatten unter den Füßen zu spüren, mir Gesicht und Hände zu waschen und von dem reinen, erfrischenden Wasser zu trinken. Ich lasse den Blick über die Wände schweifen und erkenne bald die Spuren der Menschen, die vor mir in diesem Raum verweilt haben. Die mittelgroßen Steinblöcke wurden nur grob geformt und dann aufeinandergeschichtet, wodurch zahlreiche natürliche Einbuchtungen und kleine Simse entstanden sind. Auf einem davon liegt ein liebevoll ausgesuchter Strauß aus Wiesenblumen, auf einem anderen sogar ein sorgfältig geflochtenes winziges Körbchen aus Zweigen und Blättern. In manchen Hohlräumen finden sich getrocknete Blüten, Rindenstücke, Stöckchen mit und ohne Schnitzereien oder kleine Steine. Auch zusammengerollte Zettel stecken in den Fugen – einige sind behutsam mit Grashalmen umwickelt. Das alles sind Symbole für Zurückgelassenes, Zeichen der Dankbarkeit oder Wegmarken für Erreichtes. Jeder, der herkommt, ist frei und eingeladen, eine neue Spur hinzuzufügen und so die Nachfolgenden und den Hausherrn am eigenen Weg teilhaben zu lassen. Es ist Zeit für mich, zur zweiten Türe zu gehen und in den nächsten Raum einzutreten. Ob der Hausherr bereits dort wartet oder noch ein weiterer Raum zwischen uns steht?