neue Geschichte „Der Depressionssimulator“

Der Wortkünstler Torsten Sträter hat in einer Sendung gesagt, dass er nach einer Beschreibung sucht, mit der nicht betroffene Menschen besser verstehen können, was es bedeutet, mit Depressionen zu leben.
Dieser Gedanke hat mich beschäftigt und vor kurzem ist eine Geschichte dazu entstanden.

Es gibt viele verschiedene Formen, wie der Zustand der Depression spürbar ist – dieser Simulator ist also nur als ein individuelles Teilstück dieses großen Themas zu sehen.

Ein großes DANKE an meinen Therapeuten und Coach, der mich beim Erkennen dieser Mechanismen und beim Erarbeiten hilfreicher Lösungswege ganz stark unterstützt und wundervoll angeleitet hat!

„Und, was hast du programmiert?“
„Einen Depressionssimulator.“
„Äh, was?“
„Einen Depressionssimulator.“
„Was macht der?“

„Also pass auf:
Er soll grundsätzlich genau das gleiche machen, wie die anderen Simulatoren.
Aber bei jedem Prozess, den er ausführen soll, gibt es verschiedene Störmechanismen.

Da gibt es diesen fiesen kleinen Code, der bei der Ressourcenberechnung gleich mal 30% abzieht, dadurch glaubt der Simulator, dass er viel weniger Leistung hat als andere.

Und vor jedem Schritt, den er machen soll, muss er den Befehl ausführen: prüfe zuerst, ob du für diese Aufgabe überhaupt geeignet bist. Um das zu prüfen, muss er verschiedene archivierte Dateien durchsuchen, ob er dort ein File findet, in dem die aktuelle Aufgabe mit der Lösung enthalten ist. Die gibt es bei vielen Aufgaben gar nicht – aber er darf erst mit der Aufgabe beginnen, wenn er mindestens 3 Minuten danach gesucht hat.
Wenn er begonnen hat, dann bekommt er in zufälligen Abständen immer wieder diesen Befehl und muss nochmal suchen gehen.
Nach dem Lösen der Aufgabe muss er nochmal suchen gehen, ob er ein File findet und muss die Antworten vergleichen.
Das nenne ich die ‚Selbstzweifel-Simulation‘.

Während dem Lösen der Aufgaben kann sich ein weiterer Code aktivieren – auch mittels Zufallsgenerator oder durch bestimmte Schlüsselwörter ausgelöst – der den Befehl gibt, die Sinnhaftigkeit der Aufgabe zu überprüfen.
Dazu muss der Simulator dann ins Internet und über Suchvorgänge herausfinden, ob die Aufgabenstellung für irgendjemanden von Interesse ist, also ob schon mal andere danach gesucht haben oder ob es Websites dazu gibt und so weiter.“

„Und wie heißt dieser Code?“

„Gefühl der Sinnlosigkeit.
Weil auch wenn er zu dem Thema etwas findet, habe ich den Parameterwert für die Sinnhaftigkeit so hoch eingestellt, dass er nie erreicht werden kann.
Genauso wie die Anzahl der Aufgaben, die er erfüllen muss – das kann er niemals schaffen!

Aber das ist noch nicht alles.
Nach jeder Aufgabe gebe ich ihm den Befehl, sich mit den anderen Simulatoren zu vergleichen.
Damit dieser Vergleich positiv ausfällt, muss er insgesamt mindestens 15% mehr richtige Ergebnisse haben als die anderen und mindestens 5% schneller gewesen sein.
Das heißt, auch wenn er von außen betrachtet besser war – und das sogar unter den erschwerten Bedingungen! - dann zeigt die Selbstanalyse, dass das Ergebnis nicht ausreichend gut war.
Er ist nie gut genug!

Natürlich braucht er auch viel mehr Energie als andere, das fließt auch noch in diesen Vergleich ein.

Und im Ruhezustand laufen einige Prozesse weiter, die seinen Speicher blockieren. Der wird beim Neustart nie ganz geleert, so dass er ständig mit einer erhöhten Grundbelastung läuft.

Er ist aber noch nicht ganz fertig.
Ich suche noch nach einem Weg, wie ich ihn dazu bringe, dass er sich als hässlich empfindet, aber dafür habe ich noch keine Parameter gefunden.“

„Warum programmierst du sowas?"

„Naja, ich weiß noch nicht, wer oder was diesen Mist in mein Hirn hineinprogrammiert hat, aber mit dem Simulator finde ich vielleicht raus, wie ich es beheben kann…“